Die Almwirtschaft ist seit Jahrtausenden ein wesentlicher Bestandteil der Tierhaltung in den Alpen. Allein im österreichischen Bundesland Tirol werden 2.100 Almen betrieben.Rund 100.000 Rinder, 70.000 Schafe, 5.000 Ziegen und viele weitere Tiere verbringen die warmen, sonnenreichen Monate in luftiger Höhe und fressen sich auf den kräuterreichen Almwiesen satt. In vielen Orten wird der Almabtrieb sehr festlich begangen und gerne auch zum touristischen Spektakel. In der Leutasch geht es etwas ruhiger zu, wie Christian Wandl berichtet.
Authentischer Almabtrieb von Kuh & Co
Der Almabtrieb in der Leutasch ist so ursprünglich wie die Landschaft, in der er stattfindet. Der Schmuck der Tiere ist bescheiden und wird aus dem hergestellt, was sich auf der Alm findet. Kräuter, kleine Ästchen und Zweige, Blattwerk, ein paar Blumen und Bänder zieren die Leittiere – und das auch nicht in jedem Jahr. „Die Tiere werden beim Almabtrieb nur dann geschmückt, wenn der Almsommer glücklich verlaufen ist“, weiß Christian Wandl. Wenn zum Beispiel eine Kuh verunglückt ist, gibt es für die Landwirte keinen Grund zum Feiern, also auch keinen zum Schmücken. Auf diese Weise freut sich die ganze Dorfgemeinschaft oder nimmt Anteil am Schaden eines Mitglieds. Auf jeden Fall ist die Wiedersehensfreude mit dem vertrauten Vieh groß und man hat durchaus den Eindruck, dass das durchaus für beide Seiten gilt.
Kraftvolle Heimkehr der Haflinger Pferde
Wenn ein Pferd für die Tiroler Berge steht, dann ist es der semmelblonde Haflinger. Das robuste Gebirgspferd eignet sich als trittsicherer Partner für Landwirte ebenso wie für Reiter. Der stämmige Körperbau, kräftige Gelenke und feste Hufe sind die besten Voraussetzungen für das Leben auf Berghängen und den Einsatz als Transport- und Kutschpferd. Für Christian Wandl ist die Heimkehr der Pferde in jedem Jahr ein Moment, den er besonders liebt: „Mich faszinieren beim Almabtrieb in der Leutasch am meisten die Haflinger, wenn sie von der Alm auf die großen Freiflächen im Tal kommen. Dann stürmen sie los und es gibt für ein paar Minuten kein Halten mehr!“ Haben sich die muskulösen Vierbeiner ausgebuckelt und ausgetobt, sind sie auch wieder in der Spur und bereit für die Rückkehr in ihren angestammten Stall.
Tradition Almwirtschaft in den Tiroler Bergen
Der jährliche Almauftrieb im Mai und Juni und der Abtrieb im September sind fixe Termine im Kalender alpiner Landwirte. Die Haltung auf den Almen und Hochalmen hat für Mensch und Vieh gleich mehrere Vorteile. „Besseres Futter als die Almweiden mit dem abwechslungsreichen Angebot an Gräsern und Kräutern gibt es nicht“, erklärt Christian Wandl. Die Tiere können sich von selbst optimal ernähren, der Landwirt kann sich anderen Aufgaben widmen. Doch Gesundheit und Wachstum des Viehs wird nicht nur durch das bestmögliche Futter, sondern auch durch die Bewegung und die Sonne gefördert. „Die Tiere trainieren auf der Alm Geschicklichkeit und Beweglichkeit, sie pflegen ihren sozialen Zusammenhalt und stärken Muskeln und Gelenke. Außerdem wird durch den Aufenthalt im Freien die Bildung des wichtigen Vitamins D ermöglich, das für den Stoffwechsel von Mensch und Tier unerlässlich ist“, weiß der Bio-Hotelier. Ganz auf sich allein gestellt ist das Vieh auf der Alm natürlich nicht. Bauern, Senner oder Hirten sehen nach jedem einzelnen Tier, prüfen den Zustand der Herde und greifen bei Verletzungen oder Erkrankungen ein. Zudem werden zahlreiche Milchkühe täglich gemolken und die Milch wird auf den Almen zu Butter und köstlichem Almkäse verarbeitet.
Zurück von der Alm – und dann?
Mit dem Abschied vom Almsommer müssen die Tiere auf viel Freiheit und Bewegungsraum verzichten. Doch die schneereichen Winter in den Bergen erfordern den Aufenthalt im Stall, der zumeist im Tal liegt. „Damit es den Tieren auch im Winterstall gut geht, haben Bio-Verbände wie BIO AUSTRIA und die EU-Kommission viele wichtige Richtlinien erlassen“, berichtet Christian Wandl, der die Lebensmittel für sein BIO Hotel Leutascherhof ausschließlich von zertifizierten Bio-Betrieben bezieht. Im Jahr 2021 tritt eine neue EU-Bio-Verordnung für Tierhaltung zur Verbesserung der Bedingungen in Kraft und weitere Verhandlungen sind schon anberaumt. Christian Wandl: „Von der Größe der Außenscharranlagen für Hühner bis zur Bodenverbesserung für alle Tiere und die Gestaltung der Auslaufflächen wird einiges verbessert. So fühlen sich die Vierbeiner, die im Sommer gealpt werden, auch im Stall wohl.“ Der Bio-Verband BIO AUSTRIA legt Kriterien fest, die teils weit über die EU-Richtlinien hinausgehen. So muss zum Beispiel mindestens ein Drittel eines Stalles als Liegefläche dienen – planbefestigte Böden ohne Spalten und Natureinstreu wie Stroh gehören dazu. Der Auslauf muss rund um die Uhr erreichbar sein und 180 Tage Freilauf sind bei Weidehaltung das Minimum. Für Christian Wandl, der für sein Engagement zum Thema Tierwohl mit dem Leonhard-Preis ausgezeichnet wurde, ist die neue EU-Verordnung wieder ein Schritt in die richtige Richtung.
Almabtriebe rund um die Leutasch
Viele Orte in Tirol sind für ihre festlichen Almabtriebe bekannt. Mit Musik, regionalen Schmankerln und Veranstaltungen wird das Ende des Almsommers ausgiebig gefeiert. Die Termine für die Almabtriebe in der Region Innsbruck, im Karwendel und im benachbarten Bayern erfahren Sie gerne an der Leutascherhof-Rezeption!